Markus Pohle im Gespräch
Markus Pohle im Gespräch

Ein Beitrag von unserem Direktkandidaten Markus Pohle.

Bei einer Diskussionsveranstaltung auf dem Heinrichsplatz in Meißen rannte eine Frau mittleren Alters zum Stand unseres Musikers, schnappte sich das Mikro und fing an, sehr aufgeregt zu schimpfen. Laut und ein bisschen unverständlich machte sie ihrem politischen Unmut nach anderthalb Jahren Corona Luft: Über Maskendeals, Spahns Villa und den Zustand der Straßen. Eine halbe Stunde später habe ich mich mit ihr unterhalten. Wir haben ein ruhiges, gutes Gespräch geführt. Ich habe sie gefragt, warum sie vorhin so aufgebracht war, und warum sie nicht das Gespräch gesucht hat. Sie sagte etwas verblüfft, dass wir doch von „der Politik“ seien und das doch wohl möglich sein muss. Muss es auch! Als ich ihr sagte, dass die ethischen Ausfälle der CDU-Politiker in der Bundestagsfraktion, die ihre Ämter zur persönlichen Bereicherung nutzen, ganz und gar nicht meine Vorstellung von verantwortlicher Politik sind, meinte sie, das sei ja sehr begrüßenswert. Das sollte selbstverständlich sein.

Was sehen wir hier?

Die Covid-19 Pandemie hat nicht nur in eine hygienische, sondern auch in eine politische Sterilität geführt. Ein schönere Beschreibung als politischer Stubenkoller fällt mir nicht ein.1,5 Jahre an den Lippen der verantwortlichen Politiker und Politikerinnen und der sie beratenden Epidemiologen zu hängen, hat den Themenkorridor verengt und die Kluft zwischen Wählerinnen und Wählern und denen, die sie vertreten, vergrößert. Die Schattierungen zwischen den Parteien sind verschwommener als zuvor. Das erste mal, das man auf dem Weg zum Einkaufen eine Parteifahne sieht, scheint ein Moment zu sein, an dem das aufgestaute Unverständnis über chaotische Wirtschaftshilfen, Selbstbereicherung von Amtsträgern und das eigene Unwohlsein über die Uneindeutigkeit der Zukunft mit der Pandemie sich Bahn brechen. Hier wieder das eigene politische Profil zu schärfen, über vorhandene Widersprüche aufzuklären und vor allem zuzuhören ist eine überparteiliche Aufgabe für alle politisch organisierten Menschen im Landkreis. Politische Sterilität überwindet man nicht durch Phrasendreschen, sondern durch ein freundliches Wort und die Frage, womit man helfen kann. Nur so kommen wir alle wieder in die Diskussion über die Zukunftsfragen, die uns in und auch über diese Pandemie hinaus beschäftigen werden: Infrastruktur, Arbeit, Rente, Klimaschutz.

Was sind in diesen Themen die wichtigen Fragen für den Kreis?

Im Landkreis Meißen beruht die Wirtschaftskraft zu etwa gleichen Teilen auf verarbeitender Industrie, Landwirtschaft und Tourismus/Dienstleistungen. Was muss hier zukunftsfester werden? Schwerindustrie und Stahlproduktion, wie beispielsweise im Großraum Riesa werden, selbst nach dem unzureichenden Klimakonsens der derzeitigen Bundesregierung, ihre sehr energieintensive Produktion nur in der derzeitigen Form weiterführen können, wenn wir den Umbau in den Brückentechnologien und Erneuerbaren auch hier vor Ort schnell und effizient schaffen. Für dieses lokale Problem brauchen wir europäische Lösungen und sogar welche, die darüber hinaus gehen. Wollen wir in Zukunft auf der Basis von Wasserstoff Industrieproduktion in Mittel- und Westeuropa erhalten, dann braucht es dafür Infrastruktur, die weit über das heutig Geplante hinausgeht. Wenn wir den Individualverkehr mit privaten Autos mit dem von allen Parteien über den grünen Klee gelobten Wasserstoff im derzeitigen Ausmaß betreiben wöllten, würde das allein eine Verdreifachung der Windräder voraussetzen, deren Bau Laschet, der als Damoklesschwert von einem Bundeskanzler über uns schwebt, in seinem eigenen Bundesland NRW gerade noch weiter erschwert hat. Dann fahren davon aber nur die Autos. Davon kommt noch kein Strom aus der Steckdose. Davon dreht sich noch keine Industrieturbine. Wir sehen hier, wie hochexplosiv die Gemengelage aus Klimaschutz, Arbeitsplatzerhalt und dem (vor allem in ländlicheren Regionen) verständlichen Bedürfnis nach individueller Mobilität wirtschaftspolitisch ist. Angehen müssen wir diese Fragen aber trotz alledem. Denn wenn wir unseren Teil dieser wahlweise Menschheits- oder Mammutaufgabe nicht geschultert kriegen, dann drohen, vornehmlich im Landwirtschaftssektor, grausige Zeiten. Klimawandel heißt nicht, das es ein bisschen wärmer wird und gut ist. Es heißt: häufiger Fluten, wie sie den Menschen an der Elbe noch gut in Erinnerung sind und wie sie die Menschen an der Ahr und der Erft gerade 100mal schlimmer enteignet haben, als es jede konservative Phantasie über Verbots- und Verzichtspolitik sich in ihren schlimmsten Fieberträumen ausmalen könnten. Häufiger Dürren, wie sie in den letzten Jahren auch in der Lommatzscher Pflege bereits zu spüren waren. Im für unseren Kreis so identitätsstiftenden Weinbau wird man vielleicht kurzfristig von leichten Steigerungen der Temperatur sogar profitieren – bis die sich häufenden extremen Wetterereignisse ganze Jahrgänge guten Weins in Wehrmutstropfen über Schutzmaßnahmen, die man nicht getroffen hat, verwandeln könnten. Wenn Einkommen in der Industrie und Landwirtschaft schwinden sollten, bleibt das am Ende am letzten Drittel hängen, das wir noch noch nicht abgehandelt haben: Einzelhandel, Gastronomie, Tourismus, Handwerk. Hier kann nur verdient werden, was die anderen ausgeben können. Nein, wir sitzen nicht alle im selben Boot. Aber wir treiben, wortwörtlich, auf das selbe Unwetter zu.

Was können wir tun?

Wir können dafür sorgen, das es in mehreren Hinsichten einen Fahrplan für die Zukunft gibt. Einen dafür, wie die kleinen und mittleren Unternehmen, Arbeiter und Arbeiterinnen vernünftig finanziert aus der Coronakrise kommen. Mit Vermögensabgabe und ‑steuer, ohne Rentenkürzungen und mit einer Einkommensteuerreform. Einen dafür, wie die ökologischen Fragen unserer Zeit so gestaltet werden, das sie nicht auf den Schultern der kleinen Leute lasten. 100 global agierende Unternehmen produzieren 70% der Emissionen – den Klimawandel werden wir also nicht damit aufhalten, jemandem vorzuschreiben, was er isst und wie er einkauft. Wer den Planeten retten will, muss sich mit dem Großkapital anlegen. Dazu braucht es klare Gesetze und Richtlinien, ein Ende aller klimaschädlichen Subventionen und gut abgesicherte Arbeitsplätze. Günstiges und gutes Wohnen, Bildung und ein kostenfreier ÖPNV können ihren Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten, wenn wir hierfür politisch die Weichen stellen. Eine Investitionsoffensive des Staates kann dort lenkend eingreifen, wo kurzfristige Profitinteressen in den Aufsichtsräten für die wirklich wichtigen Fragen der Lebensqualität blind sind. Corona, Klima, und gesellschaftliche Spaltung werden wir nur mit einer Politik in den Griff kriegen, die endlich die Interessen der unteren zwei Drittel wieder in den Blick nimmt, statt entlang dieser Konfliktlinien die Gräben zu vertiefen. Oder wie es Chico Mendes formuliert hat: Ökologie ohne Klassenkampf ist Gärtnern.